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Gemüsekisten und solidarische Landwirtschaft

Auch mit 21 Jahren erlebt man Dinge noch zum ersten Mal. Letzte Woche kam ich zum ersten Mal in den Genuss einer Gemüsekiste. Drei Mitbewohnerinnen von mir teilen sich diese Kiste, die so etwas wie ein Netflix-Abo auf Gemüse ist. Die Gemüsekiste zeigt, dass nachhaltiger Konsum nicht heißen muss, in einer Höhle zu leben und kalte Kartoffeln mit containerter Mayonnaise zu essen. Stattdessen könnte es sogar Spaß machen!

Das Modell hinter der Kiste heißt “Solidarische Landwirtschaft”. Hierbei schließen sich Endverbraucher direkt mit einem Landwirt zusammen. Sie zahlen ihm einen festen Geldbetrag (etwa 80 Euro pro Monat) und verpflichten sich, ein paar Mal im Jahr auf dem Hof oder beim Abholen des Gemüses mitzuhelfen. Im Gegensatz erhalten sie jede Woche frisches Gemüse. Die Ausgabe meiner Gemüsekiste fand im Treppenhaus der Asta der Uni statt, die natürlich nicht den Glamour einer Edeka-Filiale hat. Keine Kassieren oder Supermarktmusik, stattdessen eine Liste mit Mengenangaben von allen Gemüsesorten, die zur Abholung bereit lagen: Tomaten, Lauch, Petersilie, Mangold - Wie sieht nochmal Mangold aus? - Auberginen, Gurken, Kürbis, Salat, Kohlrabi, Karotten und Kohl. Zusammen mit anderen Abholern verpacke ich alles in meinen mitgebrachten Rucksack. Das Gemüse sieht ganz anders aus, als ich das aus dem Supermarkt kenne - die Auberginen weiß, die Tomaten grün, die Karotten mehr breit als lang. Ein kommerzieller Anbieter von Gemüsekisten wirbt mit dem Slogan “Rette hässliches Gemüse” — jetzt verstehe ich das. Auf dem Weg nach Hause fällt mir ein, worüber ich diese Woche nicht nachdenken muss: Mein Menü. Am Abend gibt es Auberginen-Pasta: Muschelnudeln mit Kirschtomaten, Aubergine, schwarzen Oliven, Petersilie und ein bisschen Ricotta. Zweitens fällt mir auf, wie frisch die Auberginen schmecken. Ein Freund erzählte mir mal, wie er eine Woche bei einem Bauern arbeitete und dort jeden Tag Essen bekam, das der Bauer aus der Ernte des Tages zubereitete. Er fühlte sich trotz der harten Arbeit die ganze Zeit wach und gut gelaunt, wofür er das Essen verantwortlich macht. Auch wenn die Aubergine aus der Gemüsekiste wahrscheinlich nicht am selben Tag geerntet wie gegessen wird, ist sie doch frischer als die Auberginen aus den meisten Supermärkten. Und sie schmecken auch ganz fantastisch.

Ich kaufe gerne ein. Ich will nicht auf Supermärkte verzichten! Doch Gemüsekiste und Einzelhandel könnten sich gut ergänzen. Die Supermärkte bieten Vielfalt, die Gemüsekiste eine Beziehung zum Landwirt. Ich weiß, woher die Kartoffel kommt und wie sie angebaut wurde. Ich kenne den Landwirt und der Landwirt mich, deswegen wird er kein Fibronil (oder was auch immer) auf die Auberginen spritzen. Dazu bietet das Modell des “Gemüseabos” dem Landwirt finanzielle Sicherheit. Das Geld fließt direkt an ihn, er kann für die Zukunft planen und ist gegenüber Missernten abgesichert. Die Gemüsekiste erfordert, zumindest beim Modell der solidarischen Landwirtschaft, ein bis zwei Arbeitseinsätze pro Jahr. Das bedeutet ein Samstag lang Kartoffelernten oder Donnerstagabends Gemüse abholen. Beides kann Spaß machen, und bietet die Möglichkeit, mehr über unser Essen zu erfahren. Wann habt ihr das letzte Mal Kartoffeln geerntet? Die Gemüsekiste bringt uns leckeres Gemüse ins Haus und macht, dass wir wieder wissen, was genau wir essen. Sie ist nicht teuer und sorgt für Abwechslung, genauso wie Netflix. Nur in bio.