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Indonesien März 2017

Indonesien - ein (Müll-)Paradies?

Bei der Hauptstadt Indonesiens mit 9,5 Millionen Einwohnern handelt sich um die größte Stadt Südostasiens, und einen der größten Ballungsräume weltweit. Im Großraum Jakarta mit 30 Millionen Menschen leben allein 5 Millionen Menschen in Slums. Auf der ersten Taxifahrt sind wir durch Gegenden gefahren, da es lief mir kalt den Rücken herunter. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Menschen in diesen Hütten leben, besonders in der Regenzeit muss das unerträglich sein. Sie leben direkt neben der stark befahrenen Straße und zusätzlich zu den enorm provisorischen Behausungen war es wahnsinnig schmutzig. Müllberge und verseuchte Flüsse zeichneten das Bild. Selbst als wir auf ein Inselparadies vor der Küste Jakarta vor dem Lärm und der Verschmutzung Ruhe suchten, auf der wirklich einsamen Insel Pulau Macan, ca. zwei Stunden von der Küste Jakartas entfernt, kam uns jede Menge Müll im Wasser entgegen. Die Strände waren verschmutzt, sobald man von dem Abschnitt weggelaufen ist, der täglich saubergemacht wird. Ich habe im Nachhinein einiges über den Müll recherchiert und herausgefunden, dass nur 1,9 Prozent des Mülls in Indonesien sortiert und recycelt wird; der Rest landet entweder im Wasser, auf einem Müllberg, wird in der Erde vergraben oder einfach angezündet. Zum Vergleich: In Deutschland werden 70% des Plastik Mülls und 80 des Papierabfalls recycelt und dem Verbrauch wieder zugeführt. Indonesien gilt damit nach China als größter Verschmutzter der Meere mit Plastik. Weltweit landen jedes Jahr ca. sieben Millionen Tonnen Plastikmüll in unseren Ozeanen und gefährden so das Ökosystem Meer enorm. Fische und Säugetiere essen das Plastik, werden krank oder sterben dadurch, selbst Muscheln und kleinste Lebewesen sind schon mit sogenanntem Mikro-Plastik belastet. Der Mensch nimmt das über die Nahrung auf und ist somit auch betroffen. In Indonesien entsteht die Verschmutzung der Umwelt dadurch, dass die Bewohner den Müll ohne Rücksicht einfach in der Natur entsorgen. Ehrlich gesagt hat mich beim Anblick der Müllberge zunächst jegliche Hoffnung verlassen, dieses Problem lösen zu können. Egal, wie viele Plastiktüten wir hierzulande einsparen, dort drüben stehen die Menschen mit einem Verständnis für recyceln und Mülltrennung noch ganz am Anfang, von einem Mehrwegsystem ganz zu schweigen.

Was sind die Gründe für dieses fehlende Verständnis? Leider kann man als einen Hauptfaktor den rasant steigenden Einfluss des westlichen Lebensstils auf das Land und die vielen Touristen aus Australien, USA und Europa ausmachen. Früher haben die Menschen hauptsächlich Kokoswasser aus Kokosnüssen getrunken und ihr Essen in Bananenblätter eingewickelt, wenn sie es verpacken wollten. Seitdem immer mehr westliche Produkte dort angeboten werden, wurden immer mehr Plastikverpackungen und Plastikflaschen konsumiert. Allein, dass man das Wasser aus dem Hahn aufgrund der Gefahr der Kontamination nicht trinken kann sorgt schon für eine große Menge an Plastikflaschen, welche dort nicht recyclingfähig sind. Die indonesische Bevölkerung weiß nicht richtig mit diesem Müll umzugehen, und wirft ihn, wie die Kokosnüsse und Bananenschalen, einfach in die Natur. Während diese sofort verrotten, bleibt der Plastikmüll noch 350 bis 400 Jahre vorhanden und verschmutzt so massiv die Umwelt und stellt eine Gefahr für Tiere, Pflanzen und Menschen dar.

Was kann man tun? Mein erster Gedanke war die Bildung. Man müsste den Menschen zeigen, wie Müllentsorgung funktioniert und umweltbewusstes, kritisches Denken fördern. Jedoch scheint das dafür notwendige Geld nicht investiert zu werden. Die indonesische Regierung gilt als eine der korruptesten der Welt, das Schulsystem selbst ist korrumpiert: Ich habe einen Artikel von 2012 gefunden, der aussagt, dass beim landesweiten Examen tausend Polizisten zur Überwachung eingesetzt werden, damit die Lehrer die Ergebnisse nicht an ihre Schüler verkaufen. In die Schule zu gehen an sich scheint schon schwierig zu sein, da viele staatliche Schulen nicht wirklich kostenlos sind, verlangen die Lehrer Zusatzzahlungen oder Geschenke. Diese Mentalität, aus allem so viel Geld wie möglich rauszuholen haben wir selbst erlebt. Egal, was du haben oder machen möchtest, du kommst nicht darum herum erst mal mit deinem Gegenüber zu verhandeln. Einen einfachen Gefallen scheint es nicht zu geben.
Die Korruption wird auch der Grund dafür sein, dass westliche Unternehmen so einen großen Einfluss gewinnen konnten, werfen sie doch viel Geld ab für den Staatsapparat. Es ist total krass, egal wo man ist und wie runtergekommen das Haus aussieht, an den Wänden hängen große Werbebanner mit Werbung für irgendeinen Softdrink, Chips oder Zigaretten.

Helfen können hier soziale und ökologische Initiativen aus dem In- und Ausland, wie zum Beispiel ein Projekt von der Deutschen Hilfsorganisation Borda, welche eine Materialwiderverwertungsstelle in Yogyakarta betreibt. Dadurch kann nicht nur der Müll sortiert werden, sondern es werden auch wertvolle Arbeitsplätze geschaffen.

Aber auch auf internationaler Ebene besteht dringender Handlungsbedarf. Es ist nicht nur notwendig die Verschmutzung der Umwelt, insbesondere der Meere aufzuhalten, sondern auch den Müll aus den Meeren herauszubekommen. Hier gilt es internationale Forschungsprojekte zu fördern und innovative Ideen zu entwickeln, wie das ganze nachhaltig angegangen werden kann. Das „The Ocean Cleanup“ – Projekt von Boyen Slat ist ein ambitioniertes Projekt, um die Verschmutzung insbesondere des Pazifiks mit dem sogenannten Great Pacific Garbage Patch zu verringern. Ein Prototyp ist seit Juni 2016 in der Nordsee im Einsatz. Um überhaupt zu verhindern, dass der Müll über die Flüsse ins Meer gelangt, könnte man große Gitter an Flussmündungen anbringen, welche den Müll aufhalten und so verhindern, dass er ins Meer fließt. Jedoch müsste dann wahrscheinlich regelmäßig mit Baggern der Müll entfernt werden, um eine Verstopfung zu verhindern. Denn auch europäische Flüsse tragen massiv zur Verschmutzung der Umwelt bei. Allein über die Donau, Europas zweitgrößter Fluss, gelangen täglich 4,2 Tonnen Plastik ins Schwarze Meer. 80% des Mülls im Meer sind nicht dort hineingeworfen worden, sondern kommen vom Land. 2014 hat das Europäische Parlament Alarm geschlagen. Es hat einen Bericht verabschiedet, in dem es anerkennt, dass die fehlende EU Regelung zum Thema Kunststoffabfälle dazu beiträgt, dass in Europa Plastikmüll in die Umwelt gelangt. 2015 kam dann eine Richtlinie zu Reduzierung von Plastiktragetaschen, definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, aber in Anbetracht des schon vorhandenen Verschmutzungsgrades nicht ausreichend. Hier: actions.sumofus.org/a/UNEP-Mikroplastik-verbieten-de findet ihr eine Petition, welche sich an den Verbrauchsminister Schmidt richtet. Sie hat ein Verbot von Mikroplastik zum Ziel.

Welche Ideen habt ihr, der enormen Belastung unserer Erde mit Plastik entgegenzuwirken? Wie kann man weltweit verhindern, dass noch mehr Plastik in Flüsse und Meere gelangen, insbesondere in Entwicklungsländern und Ländern ohne Anreizstrukturen für ein gut funktionierendes Recyclingsystem?